Salve All,

die IAA in Frankfurt gilt als die internationale Leistungsschau der Automobilindustrie auf deutschem Boden. Jedes Automobilunternehmen von Rang und Namen ist dabei und stellt seine Fahrzeuge auf Hochglanz poliert der Öffentlichkeit vor. Es gibt viele neue Modelle zu sehen, es müssen potentielle Kunden zum Kauf von Fahrzeugen angeregt werden, die Branche hatte in der letzten Zeit nur Umsatzrückgänge zu vermelden. Neue Autos braucht das Land und neue Modelle der potentielle Käufer als Anreiz zur Unterstützung der Automobilindustrie.

Trotzdem wird es immer langweiliger sich die Karossen von innen wie von aussen zu betrachen, egal wie neu das Modell auch sein mag. Es zieht ein langweiliger Hauch von Sozialismus durch die Fahrzeuge. Waren schon vor Jahrzehnten die ersten kritischen Stimmen laut geworden, daß die im Windkanal designten Fahrzeuge sich immer ähnlicher würden, so kann man heute von einer fast gleichgeschalteten Automobilindustrie sprechen.

Der CW-Wert und die im Windkanal ermittelten Ergebnisse für eine Karosserie mit einem vernünftigen Windwiderstandswert lassen dem ambitionierten Designer vielleicht nicht allzu viel Spielraum, wenn es um die Gestaltung der Karosserie geht. Noch im ausgehenden 20. Jahrhundert waren Automobilhersteller bemüht, durch ausgefallene technische Ideen und Detaillösungen z.B. bei der Innenraumgestaltung sich von anderen Herstellern zu unterscheiden. Doch auch das ist im 21. Jahrhundert dem automobilistischen Einheitslook kommunistischer Ausmaße gewichen.

Wo sind die Revolverschaltung eines 2CV oder R4 geblieben? Die göttliche Hydraulikfederung von Citroen? Erinnert sich überhaupt noch jemand an die Lenkradschaltung? Oder die äußerst individuell gestalteten Armaturenbretter mit ausgefallenen Balken- oder Rollanzeigen? Chromknöpfe und Schieberegler von einer Größe, daß sie noch während der Fahrt ohne Probleme bedient werden konnten? Armaturenbretter ohne überflüssigen technischen Schnickschnack. Da schaute man noch auf ein Armaturenbrett so individuell wie ein Gesicht. Da fuhr man noch Auto und pilotiert nicht in einem verhinderten Jumbo-Jet-Cockpit über die überfüllten Straßen.

Und wie sieht es heute aus. Standardelemente von der Stange in jedem Auto. Als individuelles Unterscheidungsmerkmal dient heute vielleicht noch die Farbe der Armaturenbeleuchtung oder ein alufarbener Zierstreifen auf dem Armaturenbrett. Gibt es denn auf dieser Welt nur noch ein Unternehmen das Rundinstrumente für die gesammte Autoindustrie herstellt? Und wenn ja, wie heißt dieses Unternehmen? Langweilige Armaturen AG oder Godawful Technologies Ltd.?

Schlimmer noch sind die digitalen und schön bunten Mäusekinos die als sogenannte Digital-Cockpits von der Automobilindustrie unter die Leute gebracht werden. Es gibt mittlerweile sogar Fahrzeugmodelle die nur noch mit Mäusekino erhältlich sind, ob der Kunde das mag oder nicht. Von der Gestaltung der Farben und Anzeigenvielfalt der Digital-Cockpits ausgehend, muß wohl eine Marketingabteilung vor einigen Jahren festgestellt haben, daß die potentiellen Kunden (sind wir das nicht alle) von recht infantilem Gemüt sind. Es kommt mir so vor als würde man uns Konsumenten unterstellen, daß wir lieber mit bunten Perlen spielen wollen als ein vernünftiges Cockpit vor uns zu haben. Man nimmt sich wohl ein Beispiel an den Indianern die vor vielen Jahrhunderten die Halbinsel Manhatten für eine Hand voll Glasperlen an Peter Styvesant verkauft haben. What a deal!

Schauen wir uns die Inneneinrichtung näher an. Plastik überall, die Ölindustrie freut es. Was in den Broschüren als „hochwertige Materialen zur Gestaltung des Innenraums” angepriesen wird, ist eigentlich nur zweifarbiges tiefgezogenes Plastik mit Kunstlederapplikationen. Bei den allermeisten Innenräumen kann man zwischen hellgrauem und dunkelgrauem Plastik wählen, was es dem Kunden doch erheblich einfacher macht. Man fühlt sich peinlich an Loriot’s Film Ödipussi erinnert, wo in einer Szene die mannigfaltigen Grauschattierungen erörtert werden.

Die Automobilindustrie fragt sich in internen Zirkeln erstaunt, wo der plötzliche Revival-Boom von Fahrzeugen aus den siebziger Jahren herkommt. Wer einmal mit offenen Augen und wachem Verstand über die diesjährige IAA gegangen ist und sich die neuesten Autos angeschaut hat wird dies sofort verstehen bzw. nachvollziehen können. Individueller Charme statt herstellerübergreifendem Einheitsbrei ist gefragt.

Best regards,

Howard


Solido Ford V8 Roadster 1934 Scale 1:18

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